„Sich nach jemanden sehnen, der unerreichbar ist“

Sunil Mann

Erstes Schweizer Coming-out-Jugendbuch macht Mut

In seinem Jugendbuch „Totsch“ erzählt der Aarauer Schriftsteller Sunil Mann die Comingout-Geschichte eines Schweizer Jugendlichen. Es ist das erste Schweizer Jugendbuch, das sich an dieses Thema heranwagt.

Olaf bezeichnet sich selbst als „Totsch“. Der Berufsschüler ist ein unbedarfter Trampel. Vor allem wenn es um die Suche nach sich selber geht. Oft spricht er, bevor er denkt und tritt immer wieder in ein Fettnäpfchen. Und da ist Yannick im Nachbarhaus, den Olaf schon seit einiger Zeit heimlich beobachtet. Sunil Mann hat sich einen besonderen Kniff einfallen lassen: In den ersten Kapiteln wird nicht deutlich, ob der Protagonist weiblich oder männlich ist. „Damit möchte ich sichtbar machen, dass dieses Sehnen nach jemandem bei allen gleich ist und auch gar nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun hat.“ Der 47-Jährige Autor, geboren und aufgewachsen im Berner Oberland, hat sich bewusst entschieden, sein erstes Jugendbuch den Themen Identitätssuche, Sehnsucht und Coming-Out zu widmen: „Ich wollte über etwas schreiben, zudem ich einen persönlichen Bezug habe. Die Jugendlichen heute wachsen zwar in einer ganz anderen Zeit auf.“ Das Internet habe vieles einfacher gemacht. „Aber auch im Smartphone-Zeitalter sind Jugendliche, die mit ihrer sexuellen Orientierung nicht der Mehrheit entsprechen, noch immer mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert.“

Über Vorurteile diskutieren

Sunil Mann wendet sich mit seinem Buch besonders auch an leseschwache Jugendliche. Er hat eine Sprache gewählt, die auch junge Leserinnen und Leser packt, die sich mit Lesen schwer tun. Das Buch ist nur 65 Seiten dick. Er hofft, dass das Buch auch als Klassenlektüre zum Einsatz kommt: „Es war schon immer eine große Chance, sich mit einer Geschichte einem Thema anzunähern“, so Sunil Mann, „statt Fakten und Theorie lernt man einen konkreten Menschen und seine Gefühle kennen. Ich hoffe, dass nach der Lektüre in den Klassen diskutiert wird: über Homosexualität, Vorurteile und Homophobie.“ Medienberichte zeigen, dass homophobe Beleidigungen und Übergriffe wieder zunehmen. Gerade deshalb sei es wichtig, in den Schulen das Thema nicht auszublenden, sondern darüber zu sprechen. „Ich bin froh, dass der Verlag zusätzlich als Download Arbeitsmaterial zum Buch und zu Homophobie anbietet, so bekommen die Lehrpersonen viele Anregungen, wie sie die Geschichte und das Thema bearbeiten können.“ Auch wenn noch immer ein Tabu, erlebe Sunil Mann, dass Jugendliche offen und interessiert seien, über sexuelle Identitäten zu sprechen. „Ich kann die Lehrpersonen nur ermutigen, das Thema aufzugreifen.“

Mutig statt melancholisch

Auf eines hat Sunil Mann, der sich schon als Autor von Erwachsenen-Krimis weit über die Schweizer Grenze hinaus einen Namen gemacht hat, besonders Wert gelegt: „Coming-out-Bücher und -Filme sind oft von einer bitter-süßlich-melancholischen Grundstimmung geprägt. Ich wollte eine ganz andere Geschichte erzählen: Mein Protagonist ist alles andere als eine Opfer-Figur. Er lässt sich nicht unterkriegen, ist selbstbewusst. Er weiß, was er will und steht mit beiden Beinen im Leben. Nicht die Frage der sexuellen Orientierung macht ihm zu schaffen, sondern dass die Person, zu der er sich hingezogen fühlt, unerreichbar scheint.“ Die Geschichte spielt in der Agglomeration von Zürich und schildert den Alltag von Schweizer Jugendlichen. Olaf, leicht übergewichtet, entspreche nicht dem typischen Rollenbild. „Wenn Vorurteile abgebaut werden sollen, ist es wichtig, Jugendliche mit unterschiedlichen Rolemodels zu konfrontieren.“

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Unterrichtsideen „Totsch“

«Die meisten denken an Frankenstein-Forscher»

Severin Schwendener

Wie bist du auf das Thema Biohacking gekommen? Warum willst du Jugendliche damit konfrontieren?

Severin Schwendener: „Ich arbeite im Bereich Biosicherheit im Kanton Zürich und bin da mit neuesten Entwicklungen im Bereich Gentechnik konfrontiert. Auf die Idee, etwas aus meinem Fachbereich in ein Jugendbuch zu packen, brachte mich aber Alice Gabathuler, meine Lektorin. Ich war anfangs skeptisch, dass Jugendlich sich dafür interessieren.“

Was möchtest du mit dieser Geschichte bei Jugendlichen erreichen?

„Was im Bereich Gentechnik derzeit fehlt, ist eine sachliche Debatte. Die öffentliche Diskussion wird von absolut Gentech-feindlichen NGOs dominiert, welche die Technik als etwas Böses darstellen. Beim Wort Gentechnik denken die Leute an Frankenstein-Forscher, die im Labor Killerviren produzieren. Ich möchte hier ein anderes Bild vermitteln.“

Hast du die Geschichte bei Jugendlichen schon getestet – wie viel wissen Jugendliche über dieses Thema? Sehen sie vor allem die Vorteile, finden sie es spannend – oder befremdet sie das auch?

„Manchmal kommt bei Lesungen die Frage auf, was mein «richtiger» Beruf sei. Die Jugendlichen finden es jeweils spannend, wissen meistens aber nicht viel davon. Umso mehr ist ein Anstoss für eine Diskussion natürlich notwendig.“

Du hast dich ja schon beruflich mit Genetik und Biohacking beschäftigt – verarbeitest du in dieser Geschichte all die Fragen, die bei dir dabei aufgetaucht sind?

„Ich habe im Rahmen meiner Arbeit in der Forschung Gentechnik angewandt. Als Biohacking wird das nicht bezeichnet; Biohacking ist mehr ein Synonym für «Do it yourself»-Biologie, die im Privaten stattfindet, während ich ein «Profi» war, der unter kontrollierten Bedingungen und mit zahlreichen Sicherheitsmassnahmen gearbeitet hat.  Bedenken hatte ich bezüglich meiner Arbeit eigentlich nie, resp. ich sah den Sinn dahinter und hatte Freude an einer spektakulären Technik – wie Bobo in meinem Buch. Es gibt aber offene Fragen rund um Gentechnik, und die habe ich versucht zu Wort kommen zu lassen – etwa ethische Bedenken, im Buch vertreten durch Luca.

Im Bereich Gentechnik und Biohacking ist heute schon viel möglich – fasziniert dich das oder macht dir das Angst?

„Ich bin sehr fasziniert davon – allerdings mehr von der professionellen, kontrollierten Gentechnik als vom privaten «Herumwursteln». In meinen Augen ist es unausweichlich, dass Gentechnik in Zukunft breit angewandt wird. Es wird immer einfacher und immer billiger, es gibt zum Teil sehr grossen Nutzen, gerade bei der Ernährungssicherheit in der dritten Welt. Das können wir mit unseren ethischen Bedenken höchstens verlangsamen, aber nicht aufhalten. Was diese Entwicklung für Auswirkungen haben wird, ist schwer vorherzusagen. Es wird positive und auch negative Konsequenzen geben; Menschen, die davon profitieren, und Menschen, die darunter leiden. Wie übrigens bei jeder anderen technologischen Entwicklung auch“

Was ist denn jetzt deine Meinung zu Gentechnik?

„Ich finde es primär eine spannende Technik. Allerdings macht es mir ein bisschen Sorge, wenn ich mir ausmale, was geschehen könnte, wenn der Mensch anfängt, im Erbgut aller möglichen Lebewesen inklusive jenes des Menschen herumzufummeln. Und das wird geschehen. Wenn erstmal irgendein Gentechnik-Verfahren erhältlich ist, das das eigene Kind grösser, schlauer, schöner oder sonstwie besser machen soll, dann wird es Menschen geben, die das anwenden.“

Biohacking – ein komplexes Thema – und die da bux Bücher sind relativ kompakt und einfach geschrieben. Was war für dich die grösste Herausforderung bei diesem Projekt?

„Kurze Texte sind immer schwieriger als lange, das weiss jeder, der schon mal für die Zeitung geschrieben hat und ein zweistündiges, interessantes Gespräch auf 1500 Zeichen komprimieren musste. Ich habe versucht, das Thema mit anschaulichen Beispielen zu erklären.“

Bioohacker

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«Viele 14-Jährige sind planlos»

Katja Alves

In deiner Geschichte geht es um eine Jugendliche, die klaut. Wie kamst du auf diese Idee?

Katja Alves:  „Die Frage nach der Idee ist immer die fieseste. Aber die Idee ist naheliegend. Ich glaube, die meisten Menschen verfügen zumindest über ein bisschen kriminelle Energie und führen im Kopf ab und zu das eine oder andere kleine oder grosse Vergehen aus. Esme fühlt sich schlecht behandelt und verspürt das Bedürfnis, es ihren Widersachern irgendwie heimzahlen. Auch das kommt vor. Man will keineswegs, dass der anderen Person ein echter Schaden zugefügt wird, sondern man möchte ihr einfach ein bisschen eins auswischen. Esme legt dafür eine „Trophäen-Box“ an.“

Diese Box füllt sich im Laufe der Geschichte immer mehr …

„Ich selber hatte auch so eine Trophäen-box, als ich so alt war wie Esme. Ich sage jetzt aber nicht, was ich darin gebunkert hatte. Nein, wenn ich mich recht erinnere, waren es bei mir eher kleine Sachen wie Glücksbringer, Postkarten, Autogramme und halt solche Geschichten. Aber Erwischt! ist eigentlich auch keine Geschichte über eine Diebin oder über Jugendkriminalität, sondern es geht darin vielmehr um eine ziemlich normale Oberstufenschülerin und die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert wird.“

Die erste Liebe, das Ablösen von zuhause, die Berufswahl …?

„Richtig! Und vor allem auch um die Berufswahl! Mit vierzehn haben doch die wenigsten Jugendlichen einen Plan, was aus ihnen werden soll. Welche Ausbildung, welcher Beruf der richtige sein könnte. Und trotzdem ist der Druck da, sich bald entscheiden zu müssen. Dazu kommt, dass viele Eltern hohe Erwartungen an ihre Kinder stellen. Es wird unermüdlich nach Talenten und besonderen Begabungen geforscht, damit kann das Unbehagen, das Gefühl nicht zu genügen, noch zusätzlich verstärkt werden.“

Esme, deine Protagonistin, ist eine ganz normale 14-Jährige …

„… und jemand, der eigentlich nicht im Rampenlicht steht –  und gerade deshalb habe ich sie zur Protagonistin gemacht! Ich wollte den Fokus auf eine ganz normale Jugendliche richten. Denn es ist doch völlig okay, durchschnittlich zu sein. Und jeder sollte darauf vertrauen, dass er seinen Weg finden wird. Dafür braucht es weder einen Sieg bei einer Castingshow noch ein Superzeugnis … Esme ist einzigartig. Aber eben auf ihre ganz spezielle Art. So wie es ganz viele Jugendliche sind.“

Esme hat portugiesische Wurzeln wie du, auch du hattest eine „Trophäenbox“ – wie viel von dir steckt in Esme? Wie ähnlich seid ihr euch?

„Ja, Esme ist Portugiesin. Aber abgesehen von den beiden genannten Beispielen gibt es, glaube ich, nicht mehr viele weitere Gemeinsamkeiten (lacht). Es war für mich naheliegend, dass Esmes Eltern aus Portugal kommen. Warum? Weil es in der Schweiz ganz einfach sehr viele Menschen gibt, die aus Portugal zugewandert sind. Deshalb gibt es auch in sehr vielen Klassen Kinder mit portugiesischen Eltern, und aus diesem Grund ist es wiederum ganz natürlich, dass Esme Portugiesin ist. Gut, ihre Eltern könnten auch aus Griechenland, dem Balkan oder der Türkei stammen. Aber da spielt wohl wiederum meine Herkunft eine Rolle. Esmes Welt mit ihrer portugiesischen Familie ist mir vertraut.“

Kommt diese Realität in der Schweizer Jugendliteratur zu wenig vor?

„Das kann ich nicht beurteilen, ich habe das noch nie überprüft und kenne auch nicht die gesamte Schweizer Jugendliteratur. Sicher ist jedoch, wenn man Jugendliche mit Büchern begeistern möchte, sollte man ihre Lebensrealität aufzeigen. Und dazu gehört auch die Erfahrung, in einer multikulturellen Gesellschaft aufzuwachsen.“

Du schilderst in „Erwischt!“ den Alltag der YouTube-Generation total realistisch. Wie ist es dir gelungen, diesen Ton zu treffen?

(Lacht): „Danke für das Kompliment. Gut, es war mir wichtig, die Gefühle, Gedanken und Fragen, die 14-Jährige beschäftigen, möglichst echt rüberzubringen. Bei jeder Geschichte, die ich schreibe, versuche ich, mich in die Protagonisten hineinzuversetzen. Dazu gehört auch, dass ich mich intensiv mit deren Lebenswelt beschäftige. Das fällt mir nicht schwer. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Außerdem war es spannend mir auf YouTube Influencer-Filmchen anzusehen. Sehr faszinierend. Aber was die Sprache betrifft, verzichte ich auf eine aufgesetzte Jugendsprache. Erstens weil mir das nicht entspricht, zweitens weil sich diese Sprache auch ständig verändert. Ausdrücke, die man jetzt vielleicht auf den Pausenplätzen hört, benutzt in einem halben Jahr schon kein Jugendlicher mehr.

Jugendliche lesen immer weniger, heisst es heute oft. Belastet dich das als Autorin?

„Ich sehe das jetzt nicht so pessimistisch. Zumindest lesen die Jugendlichen unermüdlich instagram captions, das ist doch auch schon mal was!“

Aber da stehen die Fotos im Fokus, die Texte sind sehr kurz …

„Trotzdem glaube ich, dass es immer ein Bedürfnis nach guten Geschichten geben wird. Es werden immer noch grandiose Jugendbücher veröffentlicht, die junge Menschen zum Lesen bringen. Aber sicher stehen wir Erwachsene heute noch mehr in der Verantwortung, Jugendlichen lustvoll Zugänge zum Lesen und Schreiben zu eröffnen. Aus meiner Sicht sind gerade Begegnungen mit Autorinnen und Autoren dazu eine gute Chance. Ich gebe auch verschiedentlich Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche. Im Unterschied zu einer Schullesung besteht hier noch mehr die Möglichkeit auf die Schülerinnen und Schüler individuell einzugehen. Hingegen halte ich es für wenig sinnvoll, Texte für Kinder und Jugendliche immer mehr zu vereinfachen. Wichtig scheint mir, dass man den Jugendlichen etwas zutraut und sie fordert. Bücher sollen uns auch ein Stück weit herausfordern. Deshalb gefällt mir auch der Ansatz von da bux: Die Bücher richten sich an leseschwache Jugendliche, aber sprachlich und inhaltlich sind sie keineswegs banal.“

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Erwischt

«Das Blinden-Fussballspiel hat mich beeindruckt»

Im Interview erzählt Karin Bachmann, warum sie „Monster im Dunkeln“  geschrieben hat, was sie über Zahnbürsten gelernt hat und warum ihr Beruf als Optikerin ihr neues Jugendbuch beeinflusst hat.

Karin, in deiner Geschichte geht es um einen blinden Jugendlichen. Hat dich dein Beruf als Augenoptikerin dazu inspiriert?

Karin Bachmann: „In meinem Brotberuf habe ich täglich mit Menschen zu tun, die nicht so gut oder sogar sehr schlecht sehen. Deshalb bin ich sicher besonders sensibilisiert für den Sehsinn. Aber mein Zugang zu dieser Geschichte war ein anderer: Ich wollte einen Krimi für Jugendliche schreiben. Schon lange faszinieren mich die beiden Thriller „Das Fenster zum Hof“ und „Warte, bis es dunkel wird“, zwei Filmklassiker aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Meine Geschichte kann man als ein Remake von „Warte, bis es dunkel wird“ verstehen: Wie im Film hat auch mein Protagonist Arjen durch einen Unfall das Augenlicht verloren. Ausgangspunkt meiner Geschichte ist ein Überfall. Schon für sehende Menschen ist das Schlimme an einem Überfall, dass so etwas meistens völlig unerwartet geschieht – man sieht es nicht kommen. Wie fühlt sich so etwas erst für Blinde an? Diese Frage hat mich angetrieben.“

Wie leicht fiel es dir, dich in die Perspektiven eines Blinden hineinzuversetzen?

Karin Bachmann: „Ich habe erst beim Schreiben so richtig realisiert, wie schwierig es ist, eine solche Perspektive konsequent einzunehmen. Zum Glück konnte ich auf die Unterstützung von Betroffenen zählen. Die haben mir sehr geholfen und waren auch als Testleser im Einsatz. So konnte ich immer tiefer in ihren Alltag eintauchen und hatte dann auch Gewissheit, dass meine Geschichte realistisch ist und sich auch Betroffene darin wiederfinden. So viele für uns Sehende selbstverständliche Dinge  sind im Alltag von Menschen mit einer Sehbehinderung oder von Blinden anders. Die Leser merken das sicher schon beim Anfang meines Krimis. Jeder Schreibratgeber rät Autorinnen und Autoren, auf keinen Fall eine Geschichte mit der Schilderung eines normalen Tagesablaufs zu beginnen, da dies für die Leser zu wenig packend oder überraschend sei. „Monster im Dunkeln“ fängt ganz unspektakulär am Morgen mit dem Aufstehen an. Doch der Leser bekommt einen Einblick in den Alltag eines Nichtsehenden und realisiert, welches die Unterschiede sind,  und mit welchen Herausforderungen Blinde konfrontiert werden. Das fängt schon beim Zähneputzen an. Welches ist meine Zahnbürste? Wieviel Zahnpasta habe ich darauf?“

Wie hast du recherchiert?

Karin Bachmann: „Ich habe mit Betroffenen gesprochen und auch die Sehbehindertenhilfe in Basel kontaktiert. Und ich habe mich auch intensiv mit Torball beschäftigt; „Fussball“ für Sehbehinderte und Blinde. Ich habe als Zuschauerin an einem Torball-Jugendturnier teilgenommen. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich hätte nie gedacht, dass es dort so hart zugeht. Es war total beeindruckend, wie schnell und flink die Spieler sich bewegten, obwohl sie alle nicht sehen konnten. Und alle waren mit Feuereifer bei der Sache. So wie sehende Jugendliche beim Fussball … Vielleicht kann ich einen kleinen Beitrag leisten, dass die Sportart auch bei Sehenden etwas bekannter wird. Denn wie ich gemerkt habe, können sich nur wenige darunter etwas vorstellen.“

Was wünschst du dir für dein Buch?

Karin Bachmann: „Mit „Monster im Dunkeln“ möchte ich jungen Menschen zeigen, wie gross die Selbstständigkeit von Sehbehinderten und Blinden allen Herausforderungen zum Trotz ist, und wie sie ihren Alltag bewältigen. Sehende Jugendliche können sich darunter meistens kaum etwas vorstellen. Ich hoffe, dass viele Schulklassen das Buch im Unterricht lesen und dadurch einen Einblick in den Alltag von sehbehinderten und blinden Menschen erhalten. Es wäre schön, wenn ich auch das eine oder andere Vorurteil abbauen kann. Arjen, der Protagonist, ist eine positive Person, er lässt sich trotz seiner Behinderung nicht unterkriegen. Vielleicht kann ich damit auch Betroffene motivieren. Deshalb wäre es auch mein Ziel, dass das Buch auch noch in Brailleschrift oder als Hörbuch erscheint. Mein Verlag und ich klären gerade ab, ob das möglich ist.“

Deine Geschichte soll besonders auch Jugendliche ansprechen, die nicht gut oder nicht gerne lesen. War das für dich beim Schreiben eine Herausforderung?

Karin Bachmann: „Die erste Version habe ich geschrieben wie immer und mir noch keine grossen Gedanken gemacht, ob es zu anspruchsvoll ist. Das geschah erst beim zweiten Durchgang, da habe ich dann viele Relativ-Sätze rausgestrichen. Zum Glück konnte ich auf das da bux-Team und besonders meine Lektorin Alice Gabathuler zählen, die mich kompetent beraten hat. Ich glaube, ich habe noch bei keinem Projekt zuvor so viel gelernt.“

Weitere Informationen und Leseprobe „Monster im Dunkeln“

Monster im Dunkeln

 

 

„Ich habe viel Emotionales und Schockierendes erlebt“

Interview mit Franco Supino über seine Recherchen zu „Hau ab, Bruderherz“ und seinen ganz persönlichen Bezug zu Migration.

Warum hast du „Hau ab, Bruderherz“ geschrieben? Was war deine Motivation?

Franco Supino: „Ich habe bisher erst ein Buch für Jugendliche geschrieben- „Wasserstadt“ ein 400 Seiten Roman, der eigentlich drei Geschichten in einer erzählt, ein Grossprojekt, an dem ich über 3 Jahre gearbeitet habe. Bei „Hau ab, Bruderherz“ war der Anspruch ein ganz anderer, aber ein nicht weniger hoher: der Text sollte ein Easy Reader, also eine kurze, knackige, leicht lesbare Lektüre und doch literarisch erzählt sein. Das vorgegebene (für mich verminte) Thema „Flucht“ sollte aktuell, anregend, clichefrei, authentisch und auf Augenhöhe Jugendlicher ab 12 Jahren umgesetzt werden. Ob ich es geschafft habe, meine Ansprüche zu erfüllen, werden die Reaktionen auf meinen Text zeigen.“

Das Thema Migration ist ständig in den Medien. Aber interessiert das auch Jugendliche? Worauf hast du geachtet, um das Thema auch für sie verständlich und alltagsnah zu machen?

„Ich habe mich nicht mit dem ganzen Themenkomplex Migration beschäftigt, sondern einen Moment fokussiert: den Aufbruch. Was muss passieren, damit ein 15,16 jähriger sagt: ich gehe weg, ich verlasse meine Heimat, meine Freunde, meine Familie. – Um das Ringen um diesen Entscheid geht es in meinem Text – das kann sich jeder Jugendliche vorstellen.“

Wie hast du für dein Buch recherchiert? Hattest du Kontakt mit Migrantinnen und Migranten?

„Ich habe mich intensiv mit der Situation der UMAs (Unbegleitete Minderjährige Asylsuchende) auseinandergesetzt, ich habe mit der Leiterin der Fachstelle Asyl im Kanton Solothurn gesprochen, sowie zwei Empfangsstellen für UMAs in den Kantonen Solothurn (Egerkingen) und Bern (Schwarzenbach bei Huttwil) besucht, dort mit den Leiterinnen gesprochen und den Alltag der Jugendlichen kennengelernt. Ich habe viel Emotionales und Schockierendes gehört und miterlebt. Mir wurde bewusst, was es heisst: Nur die Stärksten schaffen es bis in die Schweiz. Ich begriff, dass die Jugendlichen mir nicht primär ihre Erlebnisse erzählen, sondern mit mir darüber reden wollten, ob es für sie in der Schweiz eine Zukunft gibt. Deshalb sind sie geflohen, nicht weil sie ein Abenteuer gesucht haben. Die Gier nach ihren Erlebnissen ist beschämend.“

Was möchtest du mit deinem Buch erreichen?

„Ich möchte, dass die Jugendlichen sich die Frage stellen: Wie muss eine Welt aussehen, bei der ein junger Mensch beschliesst zu fliehen? Und ich möchte, dass sie das von hier aus, also von der Schweiz aus tun.“

Du hast in deiner Geschichte die Realität „umgedreht“, um Jugendlichen die Augen zu öffnen:  Lässt sich das auch auf andere Alltagsbereiche anwenden?

„Es ist meine Art, als Autor an die Dinge heranzugehen. Ich frage mich immer: wo berührt mich diese Thematik.- Meine Eltern sind damals auch aus Italien geflohen, sie waren Wirtschaftsflüchtlinge, ich bin also ein Kind von Flüchtlingen. Ich habe viel mit meiner Mutter darüber gesprochen, wie es war, wegzugehen. Deshalb würde ich sagen: ich habe die Realität nicht umgedreht, sondern zu mir geholt. Literatur muss immer bei sich selber anfangen.“

„Hau ab, Bruderherz“ liegt bereits in der 2. Auflage vor!

Hau ab, Bruderherz!

Weitere Informationen und Leseprobe von „Hau ab, Bruderherz“

„Den Jugendlichen möglichst direkt und auf Augenhöhe begegnen“

Interview mit Andrea Gerster zu ihrem Buch „Oda ist weg“.

Wie bist du auf die Idee zu «Oda ist weg» gekommen? Was hat dich inspiriert?

Andrea Gerster: „Die Hauptfigur Konrad in «Oda ist weg» ist seines Aussehens und seiner Herkunft wegen geradezu prädestiniert gemobbt zu werden. Wird er aber nicht. Hat er einfach Glück? Oder liegt es an ihm? Die Antwort darauf habe ich in eine Story verpackt, die dramatisch, witzig, aber auch berührend ist. Inspiration für meine Kinder- und Jugendgeschichten bietet mir mein Leben in einer grossen Familie und meine Freude an Kindern, jungen und alten Menschen sowie an Tieren.“

Viele Jugendliche lassen sich heute kaum mehr zum Lesen motivieren: Wie willst du bei ihnen die Leselust wecken?

„Ich erinnere mich beim Schreiben an mein eigenes Lesen als Kind und Jugendliche. Geschichten, die lebensnah und spannend waren und eine Sache aus einer etwas anderen Perspektive beleuchteten, haben mich immer fasziniert. Aber eigentlich ergeht es mir auch heute als Erwachsene noch so: Bücher, die eine etwas andere Sicht auf ein Geschehen zulassen, empfinde ich meistens als gut.“

Es ist nicht einfach, für Jugendliche zu schreiben bzw. sie authentisch zu schildern: Wie ist dir das gelungen? Was hast du da für Tricks?

„Ich erzähle so, wie ich auch mit Jugendlichen rede: Möglichst direkt, auf Augenhöhe und immer gern mit Witz und Humor. Dazu vermeide ich es, mich mit Jugendslang anbiedern zu wollen.“

Du hast deine Geschichte bereits bei Schullesungen getestet: Welche Reaktionen hast du bekommen? Wie haben sie auf die Protagonisten der Geschichte reagiert?

„«Oda ist weg» ist sehr gut angekommen. Es wurde oft und an den richtigen Stellen gelacht. Ich vermute, die Jugendlichen konnten sich gut mit dem Protagonisten, in diesem Fall einem typischen Antihelden, identifizieren. Ein bisschen Konrad steckt wohl in uns allen. Natürlich wurde danach gefragt, wie die Geschichte denn nun ausgehe oder wo Oda eigentlich stecke. Ausserdem wollten die Jugendlich wissen, wo sie das Buch kaufen können.“

Leseprobe und weitere Informationen zu „Oda ist weg“

Oda ist weg